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Gedanken über das Leben, die Liebe und das Sein

Mein geliebtes Leben, ich bin unendlich dankbar, dass ich geboren bin, dass ich atme, dass ich ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und sauberes Wasser zum Trinken habe.

Manchmal fehlt mir die Kraft, manchmal gibt es unzählige Hürden, manchmal stolpere ich, manchmal werde ich zurückgeworfen und muss ein paar Schritte rückwärts gehen. Manchmal sehe ich kein Licht, manchmal weiß ich nicht, ob ich wieder aufstehen kann. Manchmal bekümmert mich, was ich sehe oder höre.

Dann suche ich mir einen Platz in der Natur. Im Park. Oder im Wald, auf einer Wiese. Oder mitten in der Stadt. In der Stille der Nacht. Ich halte inne. Atme. Bin ganz im Hier und Jetzt. Spüre mich. Fühle, wie meine Füße fest mit der Erde verwurzelt sind und mir Halt geben. Ich öffne meine Arme, meine Hände, wie empfangende Schalen richte ich sie himmelwärts. Ich fühle mich leicht, als ob ich jeden Moment abheben könnte … mit meinen Flügeln.

Meine Wirbelsäule ist aufrecht. Die Energie kann wunderbar durch mich hindurchfließen. Vom Himmel herab, durch mich, tief in die Erde hinein. Und von der Erde durch mich hoch in den Himmel hinauf.

Geliebtes Leben. Ich lerne, immer besser, alle Höhen und Tiefen anzunehmen. Etwas daraus zu lernen. Was du mir sagen willst. Dafür höre ich ganz genau hin, so dass ich nichts überhöre. Denn deine Worte liegen manchmal in den Wolken, in den Menschen rund um mich, in den Blumen und in den Stimmen der Vögel. Weiße Federn, die zu mir herabsegeln. Eichelhäher und Füchse, die meine Wege kreuzen, Blumen, die aus Mauerritzen wachsen.

Wenn ich genau hinschaue und hinhöre, erkenne ich so vieles. Das Hinhören, das Zuhören … wir haben es verlernt im Laufe der Zeit. Viele Menschen sind ganz erpicht darauf, ihre eigene Geschichte zu erzählen, sich zu brüsten und hinauszuposaunen, wie großartig, wie erfolgreich, wie genial sie sind.

Manchmal, wenn ich solche Sachen lese, fühle ich mich klein, unsicher, unwichtig, unscheinbar, traue mich nicht mehr, etwas zu sagen, denn all das, was ich sagen will, könnte nicht gesehen, nicht gehört werden, weil es untergeht in dem Gebrüll der anderen, die lauter sind als ich.

Das Gorillagetrommel sagt mir nicht zu. Ich wende mich ab. Suche das wirkliche Leben, abseits dieses „Dschungels“, der mich erschreckt. Ich gehe – gedanklich – hinauf, in die Berge. Die Luft ist dünn dort. Das Licht ist klarer, der Horizont wirkt weiter, der Ausblick ist atemberaubend, alles, was ich zurücklasse, im Tal, wird kleiner und unbedeutender.

Und ich spüre wieder das Leben in mir. Das Pulsen. Erkenne, wer ich bin, was mich ausmacht, wohin mich mein Weg führt.

Geliebtes Leben, du hast mich viel erleben lassen bisher. Ich habe viel geweint, ich habe viel gelacht, ich liebe … weil ich nur lieben kann. All die Menschen, die versucht haben, mich zu verletzen, ich habe sie liebevoll aufgenommen in mein Herz. Trotzdem. Auch all die Menschen, die vor mir heimgegangen sind, trage ich in meinem Herzen. Mein Herz wird größer und weiter und offener. Und schöner. Trotz all der Narben. Es ist genügend Platz darin, immer, denn es wächst stets.

Ob ich Angst habe, verletzt zu werden? Nein. Niemand kann mich verletzen, denn ich lasse es nicht zu. Es hat nichts mit mir zu tun, ich nehme es nicht an. Wellen von Kraft und Licht durchströmen mich. Ich liebe mein Leben. Und mein Leben liebt mich. Dies wissend, fühle ich mich beschützt, getragen und geborgen. In mir.

Danke, geliebtes Leben!

Foto: Elisabeth Ornauer, Schönbrunn am Morgen
Text: Elisabeth Ornauer

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